Hinter welche Fassade wolltest Du schon immer mal schauen?
„Was mich interessiert, ist diese gewisse Wirklichkeit hinter der Fassade.“
Peter Lindbergh
Es ist nicht nur die „gewisse Wirklichkeit“, sondern die Wahrheit. Nicht irgendeine Wahrheit, sondern die ungeschminkte oder nackte Wahrheit.
Weiterlesen: Hinter der FassadeMit Fassade ist das „Gesicht“ gemeint. Entweder das Gesicht eines Gebäudes oder unser eigenes Gesicht. Das Wort Fassade geht auf das lateinische Wort facies zurück, was Gesicht oder Angesicht bedeutet.
„Gesichter sind die Lesebücher des Lebens.“
Federico Fellini
Wann immer ich in eine Stadt reise und es dort eine Altstadt gibt, bin ich dort zu finden. Ich mag historische Orte und schlendere gerne durch Altbauviertel oder historische Stadtteile. Was mich fasziniert, sind die historischen Fassaden und die Neugier, was sich wohl hinter diesen Fassaden verbirgt. Manche Fassade ist so prunkvoll und reich verziert, dass ich mich gerne selbst davon überzeugen würde, ob sich hier das Prinzip „Wie außen so innen“ wiederfindet. Spiegelt sich das Außen wirklich auch im Innen wider?
Stellen wir uns so eine aufwändig gestaltete, mit Ornamenten reich verzierte historische Fassade vor. Eine Stuck-Fassade, um bei dem Begriff Fassade zu bleiben. Wir sehen die äußere Hülle und treffen Ableitungen auf das Innere: hohe Decken mit Stuckelementen, große, helle Räume, edle Fliesen, massive Holzböden, prachtvolle Treppenhäuser, Kronleuchter, Kamin, bewohnt von vielleicht Reichen und Gelehrten usw. Wir schließen vom Äußeren aufs Innere, sagen „dem äußeren Anschein nach“ oder „äußerlich betrachtet“. Ob dem wirklich so ist, wissen wir nicht. Vielleicht verbirgt sich etwas anderes dahinter, möglicherweise mehr Prunk als gedacht oder aber ein Trümmerfeld. Wir sehen ja nichts anderes als die reine Fassade. Die Fassade als Gesicht des Gebäudes.
Was ist mit unserem Gesicht, unserer Fassade?
Über das Gesicht lassen sich viele Informationen, allem voran Gefühle und Gedanken, ablesen. Manche Emotionen sind offensichtlich, andere wiederum finden über Mikroausdrücke statt, die nur Sekundenbruchteile andauern und schwer zu verbergen sind.
„Es gibt eine Menge Menschen, aber noch viel mehr Gesichter, denn jeder hat mehrere.“
Rainer Maria Rilke

Sich hinter einer Fassade zu verstecken, bedeutet, etwas zu verbergen oder aber auch zu schützen. Wir halten im Dunkeln oder umgekehrt bringen nicht ans Licht:
- wie es uns wirklich geht
- wie wir uns wirklich fühlen
- was wir wirklich denken
- was uns wirklich bewegt
- wer wir in Wahrheit sind
Wir halten unser Inneres unter Verschluss.
Wir gaukeln den Anderen vor, was wir nicht sind, spiegeln falsche Tatsachen vor. Unsere wahren Emotionen verbergen wir. So lächeln wir, auch wenn uns nicht danach zumute ist, oder sagen, dass alles in Ordnung ist, obwohl rein gar nichts in Ordnung ist. Wir geben an, dass wir zurechtkommen und keine Hilfe brauchen, auch wenn wir komplett ausgebrannt sind. Wir wahren die Fassade.
Mit einer Fassade errichten wir eine Barriere und lassen das Außen draußen. Vielleicht unterliegen wir Zwängen, die uns diese Barriere errichten lassen.
Eine Maske als Barriere. Weil sich an unserem Gesicht so viel ablesen lässt, können wir unser Gesicht unter einer Maske wunderbar verbergen. Denken wir nur an die früheren Maskenbälle oder den Karneval von Venedig. Mit einer Maske setzen wir uns ein weiteres, zweites Gesicht auf und entschwinden in eine andere Daseinsform.

In der Astrologie entspricht so eine Maske oder Tarnkappe vor allem dem Planeten Pluto, Herrscher des Tierkreiszeichens Skorpion, aber auch Neptun, Herrscher des Tierkreiszeichens Fische.
Mit Pluto verbinden wir alles Verborgene, Versteckte, tief unter der Erde Vergrabene und Verschüttete. Auch Zwänge gehören zu Pluto. Zu Neptun gehören die Geheimnisse und damit auch das Verborgene und auch die Illusion (sich selbst und anderen etwas vormachen oder vortäuschen).
Manche Menschen haben ein besseres Gespür dafür, wann etwas Fassade ist, als andere. Sie spüren, wenn das, was sie sehen, mehr Schein als Sein ist, wenn es nicht echt ist. Sie können hinter die Fassade blicken. Kein Mensch möchte gerne entlarvt oder enttarnt werden. Denn dann beginnt die Fassade zu bröckeln. Das ist der Moment, wo wir uns eine Tarnkappe wünschen, um uns für einen Moment unsichtbar zu machen.
Mit dem Ein- oder Abreißen der Fassade werden die Dinge offensichtlich, das Verhüllte wird enthüllt. Das mag einerseits mit Unbehagen einhergehen. Andererseits entsteht dadurch auch Raum für Neues.
Eine Gebäude-Fassade zum Einsturz zu bringen, ist leicht. Um eine Gesichts-Fassade einzureißen, braucht es Mut und Kraft.
Mit einer Gesichts-Fassade wurden wir nicht geboren. Diese haben wir uns ja meist mühsam und über viele Jahre hinweg aufgebaut. Es gibt viele Gründe, sich hinter einer Fassade zu verstecken, „gute Miene zum bösen Spiel“ zu machen. Im Englischen sagt man „to put a good face on something“, also ein gutes Gesicht aufsetzen, und mit „face“ sind wir bei „Gesicht“ und damit bei „Fassade“.
Einige der Gründe, sich hinter einer Fassade zu verbergen, sind Angst, Unsicherheit und geringes Selbstbewusstsein, die alle nicht von Mut und Kraft getragen sind. Diese Gründe mögen einleuchtend und verständlich sein. Aber eine Fassade zu tragen, ist auf Dauer auch anstrengend, weil wir etwas aufrechtzuerhalten versuchen, das wir nicht sind.
„I think your whole life shows in your face and you should be proud of that.“
Lauren Bacall
Daher:
Eine Fassade ist nicht der Ausdruck unseres Selbst. Es ist Schein und nicht Sein. Jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben, authentisch zu sein und sich so zeigen können, wie er in Wahrheit ist.
„Promise me you’ll always remember:
A. A. Milne: Winnie-the-Pooh
You’re braver than you believe,
and stronger than you seem,
and smarter than you think.“